Handlungsempfehlungen zur Förderung der Gesundheitskompetenz der Bevölkerung in Bezug auf die HPV-Impfung
- Konzertierte Aktionen zur HPV-Impfaufklärung
- Zielgruppenspezifische Ansprache zur HPV-Impfung
- Stärkung der HPV-Aufklärung an Schulen
- Nutzung moderner Kommunikationswege zur Impfaufklärung
- Kernbotschaften der HPV-Impfaufklärung
- Vertrauensfördernde Kommunikation
- Förderung des Austausches der Impfakteure
Konzertierte Aktionen zur HPV-Impfaufklärung
Im föderalen System haben die einzelnen Bundesländer unterschiedliche Gesundheitspolitiken, Programme und Ressourcen. Ohne koordinierte Maßnahmen könnte die Impfaufklärung inkonsistent oder regional uneinheitlich ausfallen. Dadurch können Zweifel und Unsicherheit entstehen, die das Vertrauen in die Impfung beeinträchtigen. Konzertierte Aktionen stellen sicher, dass auf allen Ebenen (Bund, Länder und Kommunen) klare, einheitliche und aufeinander abgestimmte Informationen bereitgestellt werden, sodass die Bevölkerung deutschlandweit dieselben Botschaften erhält.
Obwohl die Aufklärung in einem föderalen System vereinheitlicht sein sollte, erfordert sie auch die Flexibilität, lokale Bedürfnisse und Herausforderungen zu berücksichtigen. Regionale Aufklärungsaktionen innerhalb eines Bundeslandes können auf lokale Gegebenheiten eingehen, in dem sie regionale Akteure (z.B. Gesundheitsämter oder Schulen) in die Planung und Umsetzung einbeziehen. Für entsprechende Aktionen können beispielsweise die mobile Mitmachstation sowie die HPV‑Wanderausstellung über das DKFZ angefragt werden (siehe auch Anlassbezogene HPV-Aufklärungsaktionen). Im Falle eines hohen Bedarfs für eine zeitgleiche Nutzung oder im Rahmen eines bundesweiten HPV-Impfjahres (siehe Nationales HPV-Impfjahr) sollte die Erstellung weiterer Exponate in Erwägung gezogen und Finanzierungsmöglichkeiten geprüft werden.
Konzertierte Aktionen zur HPV-Impfaufklärung im föderalen System von Deutschland bieten klare Vorteile durch eine einheitliche, zielgerichtete und ressourcenschonende Herangehensweise. Sie maximieren die Reichweite und Wirkung der Kampagnen und stärken das Vertrauen der Bevölkerung in die Notwendigkeit und Sicherheit der HPV-Impfung. Insbesondere im Rahmen eines Nationalen HPV-Impfjahres können konzertierte Aufklärungsaktionen eine flächendeckende Impfaufklärung erzielen.
Zielgruppenspezifische Ansprache zur HPV-Impfung
Evidenzbasierte HPV-Informationsmaterialien sollten so gestaltet sein, dass sie die unterschiedlichen Zielgruppen effektiv ansprechen. Dazu gehören insbesondere auch die Eltern, die über die Impfung ihrer jüngeren Kinder entscheiden, sowie im Rahmen von Nachholimpfungen auch die Jugendlichen selbst. Ebenso bedeutsam sind Fachkräfte aus verschiedenen Gesundheitsberufen sowie Multiplikatorinnen und Multiplikatoren – wie beispielweise Lehrkräfte –, die im sozialen Umfeld der Zielgruppe tätig sind.
Die bereitgestellten Informationen sollten sowohl mehrsprachig als auch in leichter Sprache verfügbar sein. Ziel ist, dass sich alle Menschen – unabhängig vom sozioökonomischen Status, kulturellen Hintergrund, Bildungsstand oder anderen Faktoren – über die HPV-Impfung informieren und eine mündige Entscheidung treffen können. Bei der Ausgestaltung von Aufklärungsmaßnahmen sollten Erkenntnisse aus der Psychologie wie den Sozial-, Kultur- und Verhaltenswissenschaften einbezogen werden (siehe auch Ansatz der WHO zu behavorial and cultural insights(46)). Zudem müssen die Informationen möglichst aktuell gehalten werden und sollten die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse beinhalten. Bereits in den Ländern bestehende und bewährte Informationsmaterialien – wie z.B. in Bayern und Mecklenburg-Vorpommern (siehe Anlassbezogene HPV-Aufklärungsaktionen) – können für Aktualisierungen oder bei der Erstellung neuer Materialien als Vorlage dienen. Kooperationen zur gemeinsamen, ressourcenschonenden Nutzung sind hierbei empfehlenswert. Neben der Verwendung bei lokalen Aktionsveranstaltungen können gedruckte HPV-Aufklärungsmaterialien zudem für die Auslage in Arztpraxen oder auch Apotheken zur Verfügung gestellt werden. Weiterhin können Plakatkampagnen im öffentlichen Raum eine große Reichweite bei den Zielgruppen entwickeln.
Neben klassischen Druckmedien mit langen Texten können ansprechende Poster oder digitale Displays (im öffentlichen Raum, aber auch z.B. in Arztpraxen) die Aufmerksamkeit wecken und mit QR-Codes auf ein ausführliches Informationsangebot im Internet (digitales Angebot; siehe Handlungsempfehlung Nutzung moderner Kommunikationswege) verweisen. Insbesondere die Zielgruppen Jugendliche und (junge) Eltern können auf diese Weise effizient angesprochen werden. Zudem lassen sich die auf einer Website hinterlegten Texte bei Bedarf schnell aktualisieren und ohne großen Aufwand in verschiedenen Sprachen sowie in leichter Sprache anbieten, um die Reichweite der Informationen zu erhöhen.
Stärkung der HPV-Aufklärung an Schulen
Aufgrund des empfohlenen Impfalters von 9 bis 14 Jahren (bzw. Nachholimpfungen bis zum 18. Geburtstag) stellen Schulen ein geeignetes Umfeld zur Impfaufklärung dar (siehe Beispiel: HPV‑Impfaufklärung in Schulen).
- Das Thema HPV ist in der Regel bislang nicht offiziell in den schulischen Lehrplänen der Bundesländer verankert. In der Praxis erfolgt die Aufklärungsarbeit zu diesem Thema hauptsächlich durch Lehrkräfte, die es auf eigene Initiative hin in den Unterricht integrieren – häufig in den Bereichen Biologie oder Sexualkunde. Dies hat jedoch zur Folge, dass nicht alle Schülerinnen und Schüler mit dem Thema in Kontakt kommen. In einigen Bundesländern gibt es zudem Schulgesundheitspflegerinnen und ‑pfleger, die ebenfalls einen wichtigen Beitrag zur Aufklärung über HPV und die HPV-Impfung an den Schulen leisten.
- Grundsätzliche Voraussetzung für die Erhöhung der Bereitschaft der Lehrkräfte, das HPV-Thema in den Unterricht einzubinden, ist daher zunächst die ausreichende Kenntnis zu HPV und zur HPV-Impfung. Dies könnte durch entsprechende Schulungen zu HPV für in Frage kommenden Lehrerinnen und Lehrer erreicht werden. Diese vermitteln ihnen ausreichende Sicherheit im Umgang mit dem Thema – auch für die Kommunikation mit (evtl. auch impfkritischen) Eltern z.B. im Rahmen vorn Elternabenden. Daneben wäre es wichtig, den Lehrkräften dafür geeignete Materialien (wie Arbeitsblätter, Flyer, interaktive Lernprogramme, Präsentationen für den Unterricht u.a.) zur Verfügung zu stellen oder zumindest geeignete Bezugsquellen (idealerweise über die Kultusministerien) zu kommunizieren.
- Auch der ÖGD (z.B. Gesundheitsämter Hildesheim oder Rosenheim, LaGuS in Mecklenburg-Vorpommern) sowie externe Akteure bieten Infoveranstaltungen für Schülerinnen und Schüler (und/oder Eltern) im schulischen Setting an. Beispiele für externe Akteure sind die ÄGGF oder die studentische Initiative „Impf Dich“ (siehe Beispiel: HPV-Impfaufklärung in Schulen). Die Weitergabe entsprechender Angebote und Kontakte an die Schulen, z.B. durch die Kultusministerien oder auch die örtlichen Gesundheitsämter, sowie die Unterstützung bei der Durchführung solcher Veranstaltungen können auf diese Weise auch außerhalb des Lehrplans das Impfwissen über HPV bei Jugendlichen und Eltern fördern.
- Geeignete Aufklärungsmaterialien wie Flyer von industrieunabhängigen Institutionen, Links zu Aufklärungsvideos oder Websites sollten in geeigneten Klassenstufen an Schülerinnen und Schüler sowie Eltern weitergegeben werden. Dazu bieten sich verschiedene Gelegenheiten an, wie Elternabende, Elternbriefe, Schulveranstaltungen, Unterrichtsstunden zu Sexualkunde oder Gesundheitsthemen oder die z.B. in Bayern durch die Gesundheitsämter praktizierte Impfbuchdurchsicht in den 6. Klassen. Eine Ausweitung des Angebots mit Informationsmaterialien in leichter Sprache und auch verschiedenen Fremdsprachen könnte auch Zielgruppen mit einfachem Bildungshintergrund und/oder Migrationsgeschichte erreichen.
- Um den Stellenwert des HPV-Themas stärker zu betonen und dieses sichtbarer zu machen, wäre die direkte Integration in die Lehrpläne in geeignete Klassenstufen von Vorteil. Anhand des Beispiels HPV könnten gleichzeitig verschieden Gesundheitsthemen behandelt und abgedeckt werden (z.B. Wirkungsweise von Impfungen, sexuell übertragbare Infektionen, reproduktive Gesundheit oder auch soziale Themen wie Familie etc.). Aufgrund voller Lehrpläne, der für Gesundheitsthemen zu Verfügung stehenden begrenzten Unterrichtszeit und des oft bestehenden Lehrkräftemangels wäre dafür eine gut durchdachte Einbindung ohne Generierung von zusätzlichem Zeitaufwand für Lehrkräfte wie Schülerinnen und Schüler notwendig.
Nutzung moderner Kommunikationswege zur Impfaufklärung
Moderne Kommunikationswege bieten zahlreiche Chancen, insbesondere bei der Impfaufklärung jüngerer Zielgruppen. Diese Zielgruppen sind oft digital versiert und erwarten Informationen in Formaten, die schnell zugänglich und ansprechend sind. Dazu gehören vor allem digitale Elemente auf Social-Media-Kanälen. Im Rahmen bisheriger Kampagnen zur HPV-Impfung auf nationaler und internationaler Ebene wurden zwar Social-Media-Kanäle einbezogen, doch es konnte damit häufig nur eine geringe Reichweite erzielt werden (siehe »digiMed‑HPV«‑Abschlussbericht).
Digitale Elemente umfassen neben Social-Media-Kanälen auch Internetportale (z.B. www.infektionsschutz.de und liebesleben.de des BIÖG), die die Zielgruppe der Eltern und Jugendlichen ansprechen sollen. Die Inanspruchnahme dieser Angebote hängt jedoch stark vom Interesse an dem Thema ab. Da das Wissen über die HPV-Impfung in der Bevölkerung im Vergleich zu anderen Impfungen relativ gering ist (siehe Hintergrundwissen zu HPV: Aktuelle Situation in Deutschland), ist nicht davon auszugehen, dass sich Eltern und Jugendliche von sich aus dem Thema zuwenden werden. Digitale Elemente müssen demnach aktiv auf die Zielgruppen zugehen (digitale Push-Strategie; siehe »digiMed‑HPV«‑Abschlussbericht). Eine Möglichkeit dies in der Impfaufklärung zu erreichen, könnte die Einbindung von Influencern (Einzelpersonen, Medien oder Institutionen) darstellen, die für die jeweilige Zielgruppe relevant sind und das Thema HPV als eines mehrerer populärer Themen aufgreifen. Zudem könnten interaktive Formate (Umfragen, Question&Answer-Sessions, Live-Streams), Kurzvideos und visuelle Inhalte Verwendung finden. Daneben könnte auch digitale Werbung (Digital Ads) auf von den Zielgruppen häufig genutzten Websites oder auch online Video-Spots bzw. Banner auf Streaming-Plattformen (wie YouTube, Netflix etc.) weitere Möglichkeiten darstellen, Aufmerksamkeit für die HPV-Impfung zu generieren.
Um jüngere Zielgruppen effektiv über Impfungen aufzuklären, erscheint es wichtig, moderne Kommunikationsmittel auf eine ansprechende, kreative und möglichst humorvolle Weise zu nutzen. Plattformen, die bei jungen Menschen beliebt sind, wie soziale Netzwerke und Streaming-Dienste, bieten viele Möglichkeiten, Impfungen positiv und verständlich zu präsentieren. Dabei sollte der Schwerpunkt auf klaren und verlässlichen Informationen liegen, während gleichzeitig interaktive und personalisierte Formate eingesetzt werden, um das Interesse und die Impfbereitschaft zu fördern.
Eine weitere Möglichkeit, neben der reinen HPV-Impfaufklärung, aktiv auf Eltern von Kindern im empfohlenen Impfalter zuzugehen, sind beispielsweise Erinnerungsschreiben von Krankenkassen oder behandelnde Arztpraxen (siehe Handlungsfeld 3 des HPV-Impfkonzepts der NaLI).
Der Ausbau moderner Kommunikationswege bei der HPV-Impfaufklärung sollte vorangetrieben und die Einbindung von glaubwürdigen Influencern zur Erreichung der Zielgruppe angestrebt werden.
Kernbotschaften der HPV-Impfaufklärung
Als Grundlage für die Kommunikation und Aktionen sind gemeinsame Kernbotschaften sinnvoll. Gleichlautende Botschaften können die Verständlichkeit und Vertrauenswürdigkeit der Informationen zur HPV-Impfung erhöhen und einen Wiederkennungswert bieten.
Im Vordergrund der Kommunikation sollte der „Schutz vor HPV-bedingten Krebsarten“ stehen. Mittlerweile gibt es große Studien, die belegen, dass die HPV-Impfstoffe nicht nur Krebsvorstufen (Gebärmutterhals, Analbereich) verhindern, sondern auch das Risiko für das Auftreten von Gebärmutterhalskrebs verringern (siehe Hintergrundwissen zu HPV: Wirksamkeit der HPV-Impfung).
Folgende Hauptaspekte werden für die Aufklärungsarbeit zur HPV-Impfung als wichtig angesehen und sollten bei Aktionen oder durch Informationsmaterialien adressiert werden:
- HPV als Verursacher verschiedener Krebsformen bei Frauen und Männern (Gebärmutterhalskrebs, Mund- und Rachenkrebs, Analkrebs, Vaginalkrebs, Vulvakrebs sowie Peniskrebs können eine HPV-Infektion als Ursache haben); zudem verursachen andere HPV-Typen nicht bösartige, aber meist belastende Genitalwarzen
- Hohe Schutzwirkung (Eigen- und Fremdschutz) und hohe Sicherheit der HPV-Impfung
- Optimales Impfalter für bestmöglichen Impfschutz ist 9-14 Jahre für alle Kinder
(Hauptzielgruppe) - Catch-up-Impfungen für nicht bzw. nicht vollständig geimpfte Jugendliche im Alter von 15 bis 17 Jahren sind wichtig (hohes Präventionspotenzial; Impfungen ab 18 Jahren laut STIKO je nach individueller Situation ebenfalls sinnvoll)
- HPV-Impfung bietetFrauen auch einen Schutz für die reproduktive Gesundheit durch die Vermeidung von zervikalen Präkanzerosen und therapeutischen Konisationen sowie dem potenziellen Fertilitätsverlust durch die Behandlung von Krebserkrankungen am Gebärmutterhals
- Regelmäßige frauenärztlicheKrebsfrüherkennungsuntersuchungen („Vorsorgeuntersuchungen“) bleiben auch bei geimpften Frauen wichtig
Es wird vorgeschlagen, zu den verschiedenen Aspekten kurze, prägnante und klare Slogans zu erarbeiten, die mit einem hohen Wiedererkennungswert auf die Wichtigkeit der HPV-Impfung hinweisen und sich im Gedächtnis der Bevölkerung verankern.
Vertrauensfördernde Kommunikation
Eine ehrliche und transparente Kommunikation spielt für das Vertrauen der Bevölkerung in die angebotenen Informationen eine wichtige Rolle. Neben einer realistischen Darstellung der Krankheitslast durch HPV und dem Nutzen der HPV-Impfung sollten auch mögliche Risiken und Limitationen der Impfung offen adressiert werden. Dabei ist auf eine allgemeinverständliche Form zu achten.
Das Netzwerk für Evidenzbasierte Medizin (EbM) formuliert generelle Anforderungen an die Qualität von Gesundheitsinformationen. Die Empfehlungen des EbM-Netzwerks werden als „Leitlinie evidenzbasierte Gesundheitsinformation“ und „Gute Praxis Gesundheitsinformation“ herausgegeben (siehe EbM-Netzwerk: Veröffentlichungen und Leitlinien). Verfasser und Herausgeber können diese bei der Erstellung entsprechender HPV-Informationsmaterialien zur Unterstützung nutzen.
Förderung des Austausches der Impfakteure
Bei der Aufklärung zur HPV-Impfung – wie auch zu Impfungen im Allgemeinen – sind einheitliche und aufeinander abgestimmte Informationen entscheidend, um Verwirrungen und Missverständnisse zu vermeiden (siehe Handlungsempfehlung: Konzertierte Aktionen zur HPV-Impfaufklärung). Zudem sollten mögliche Synergien in Vorbereitung und bei der Durchführung von Impfaufklärungsaktionen berücksichtigt werden. Ein regelmäßiger Austausch zwischen den Akteuren auf Bundes- und Landesebene sowie mit weiteren Impfakteuren kann dies sicherstellen.
Mit der NaLI gibt es ein bundesweites Gremium, in dem zentrale Impfakteure als Mitglieder oder ständige Gäste vertreten sind. Darüber hinaus sind weitere wichtige Impfakteure, wie ärztliche Berufsverbände, in Arbeitsgruppen eingebunden (siehe NaLI-Arbeitsgruppen). Die Sitzungen der NaLI und ihrer Arbeitsgruppen sollen auch weiterhin dazu genutzt werden, zukünftige Impfaktionen vorzustellen sowie Ideen und Erfahrungen auszutauschen.